Der Mut zu lauschen

Es kostet Mut einem anderen Menschen wirklich zuzuhören. Wenn er seine Freude, Angst, Wut, Schmerz oder die tiefste Verwundung mit uns teilt. Sei es in einem Sharing in unseren Seminaren oder privat. Wir können nur zu hören, wenn wir selbst weich sind. Offen, berührbar, nicht urteilend – also bereit zu lauschen. Wenn wir unserer eigenen Widerstände begegnen, unseren Impulsen, den anderen anzugreifen, vielleicht weh zu tun oder zu unterbrechen oder uns zurückzuziehen. Entweder versuchen wir den anderen oder uns selbst zu unterdrücken. Aber darum geht es nicht.
Es geht darum, einfach da zu sein. Da zu sein, mit dem was ist. Da zu sein für den anderen und da zu sein für sich selbst. Ohne etwas verändern zu wollen, anzuweisen oder Ratschläge zu erteilen. Ohne die Erfahrung oder den Lernprozess des anderen irgendwie zu ändern oder zu unterbrechen. Die Freude, der Ärger, Wut, Abwehr, Schmerz, manchmal auch das Nicht-Verstehen des anderen einfach wahrzunehmen. Wertzuschätzen und vielleicht zu umarmen. Und im eigenen Herzen einen Platz zu zuweisen.
Manchmal entsteht durch das Zuhören etwas, was fast unerträglich ist. Was dir die Luft nimmt oder innerlich zerreist. Dann triggert es eine alte Erfahrung. Wie gehst du damit um? In dem du den Trigger wertschätzt. Atmest. Noch sanfter und liebevoller zu dir bist und um dich kümmerst. Und um die verlassenen Landschaften und Wüsten, die in dir sind. Du kannst sie jetzt im Licht des Bewusstseins wahrnehmen und sie segnen mit Bewusstsein. Ja, ich sehe mich. In meinem größten Schmerz. Sanft, liebevoll, verstehend, atmend siehst du dich. Dann bricht etwas auf.
Die Schönheit des Schmerzes. Die Verletzlichkeit, das Zitterns, Tränen, Angst, Todesangst. Alles ist da. Im Licht der Erkenntnis.
Damit kannst du für den anderen wieder verfügbar sein. Kannst mutig weiter zuhören, weiter lauschen, weiter da zu sein. Dann wird es sicher für den anderen. Dann kann er sich selbst aufmachen, dann kann es in ihm aufbrechen.
Dann hat auch er den Raum für seinen Schmerz. Und es zeigt sich eine tiefere Wahrheit, die euch beiden erfasst. Die Wahrheit der Verletzungen, Traumata, die des Schmerzes, der Angst und der Hoffnungslosigkeit.
Du brauchst dich nicht zu schämen oder dich schuldig zu fühlen. Es passiert einfach. Auch der andere bricht auf. Es ist die Wahrheit, die uns umarmt, die Wahrheit, die uns heilt. Gib dem anderen so viel Platz sich mitzuteilen, wie er braucht. Gib ihm Platz. Gib dir Platz. Dann passiert für beide eine tiefe unpersönliche Heilung. Heilung ist unpersönlich. Nicht wir Heilen etwas, sondern Heilung passiert. Sie ist Gnade. Die Gnade des Universums, die Gnade eines liebenden Gottes, die Gnade eines Gesetzes, die unsere Beziehungen und Gefühle bestimmt.

Ich habe den Blog aus einem gegebenen Anlass geschrieben. Eine Teilnehmerin konnte bei einem Sharing nicht bei sich bleiben, zumindest bei der Rückmeldung. Ich freue mich, wenn wir unsere Gefühle verstehen und beginnen Verantwortung dafür zu tragen.

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