Diffuse Angst ….

Angst, daß gleich etwas Schreckliches passiert!

(Dies war eigentlich ein Schreiben an unsere Ausbildungsgruppe Familienstellen, wir machen es gerne auch einem weiteren Leserkreis bekannt.)

Vor einer Woche gab es mal wieder einen „offenen Abend Familienstellen“ in einer unserer angemieteten Locations hier in Frankfurt. Der „offene Abend“ dauert zwei bis zweieinhalb Stunden, ist also relativ kurz, eine Gelegenheit, mal ohne großen Aufwand ins Aufstellungsfeld einzutauchen. Nach einer Anfangsmeditation und einer Anliegenrunde machten wir in der kurzen Zeit noch drei Aufstellungen, die aber nichts an Tiefe zu wünschen übrig liessen. Von einer davon will ich hier berichten.

Einer der Teilnehmer fing ganz vage an, immer wenn er dran sei, habe er plötzlich das Gefühl, nicht richtig zu wissen, was los sei. Er denke dann plötzlich, eigentlich sei alles gar nicht so wichtig, was er vorher als Anliegen hatte. Hier könnte man eigentlich denken: Das Anliegen ist noch nicht reif, soll er noch etwas warten damit. Auf Nachfragen sagte er dann aber noch, dass er immer das Gefühl habe, gleich könne etwas Schreckliches passieren.

Also fragte ich, wer in der Familie Angst haben musste, bzw. wem etwas Schreckliches passiert sei.

Er sagte darauf: Die Mutter der Mutter war während des zweiten Weltkrieges mit ihren 9 Kindern auf der Flucht von Schlesien in den Westen; einem der jüngeren Kinder wurden durch eine Bombe beide Beine weggerissen. Dieses Kind wurde auf einem Leiterwagen hinterhergezogen. Der Teilnehmer erzählte diese Geschichte als etwas, was er schon hundertmal gehört hatte, fast schon unwillig, als alte Schallplatte.

Dann sagte er noch, der Vater sei mit 16 noch in den Krieg gekommen.

Ich stellte den Teilnehmer, seinen Vater, und das Geschwister der Mutter auf, das seine Beine verloren hatte.

Nach einer Weile ging der Vater auf dieses Kind zu, offensichtlich bewegt. Ich definierte hier das Kind um in „die anderen jungen Männer, die im Krieg zerfetzt wurden“. Und ich stellte noch den Krieg dazu. Nach einer Weile, während der Vater, junge Männer und Krieg in bewegender Weise zueinander fanden, konnte der Vater sich seinem Sohn zuwenden, und es entstand ein berührender und kraftvoller Kontakt.

Zum einen können wir hier sehen, dass wir das Anliegen des Klienten oft „herauskitzeln“ müssen, oder anders gesagt, dass wir Hilfestellung geben, es klarer zu formulieren. Meistens hat jemand ein Anliegen, sonst würde er nicht kommen. Manchmal ist es noch nicht reif, oder es reicht eine kurze Intervention, aber meistens lohnt es sich nachzufragen und mit dem Klienten auf die Suche zu gehen.

Und dann wird an dieser Aufstellung noch einmal deutlich, wie sich das Familiensystem einen Weg sucht, um mit den Figuren, die aufgestellt sind, seine Befindlichkeit zu zeigen und zu verändern. Wenn klar wird, dass eine Person „switscht“, d.h. in ihrer Rolle wechselt, dann können wir dies einfach aufgreifen und sie umdefinieren. Das verhilft manchmal zu mehr Klarheit. In manchen Fällen ist es auch gut, es offen zu lassen, wen die betreffende Person vertritt.

Früher habe ich auch öfter erlebt, dass eine Person aus dem Beobachterkreis in die Aufstellung „hineingezogen“ wurde, d.h. sich plötzlich in einer Rolle fühlte. Auch hier suchte das System nach einer Lösung und griff sich diese Person dafür.

Die zweite Aufstellung an diesem Abend war für eine Teilnehmerin, die verschiedene Körpersymptome hatte. Hier wurde sie und eine Stellvertreterin für die Symptome aufgestellt. Die dritte Aufstellung war für eine Teilnehmerin, die als junge Frau vergewaltigt worden war, und die sich von ihrer Mutter unverstanden fühlte, was immer wieder zu Konflikten mit ihr und zu Traurigkeit über das Unverständnis führte. Es zeigte sich, dass auch die Mutter während des Krieges vergewaltigt worden war und sich deshalb dem Ereignis bei ihrer Tochter verschloss.

Warum ich das jetzt so ausführlich beschrieben habe? Ich möchte euch nahelegen, wenn ihr mit Aufstellungen selbst arbeiten wollt, so oft es geht an diesen teilzunehmen. So erfahrt ihr das Aufstellen als etwas Ganzheitliches und könnt euer theoretisches Wissen vertiefen und festigen.

Der offene Abend bei mir oder der Nachmittag bei Eva, oder unsere Aufstellungsseminare sind wunderbare Gelegenheiten, immer vertrauter mit den Lösungen zu werden, so dass ihr selbst kreativer werdet im Finden von Lösungen.

 

 

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